Wann kann wegen Eigenbedarfs gekündigt werden?
Gemäß § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB liegt ein berechtigtes Interesse des Vermieters an der Beendigung des Mietverhältnisses unter anderem dann vor, wenn er die vermieteten Räume als Wohnung für sich selbst, einen Familienangehörigen oder einen Angehörigen seines Haushalts benötigt. Dabei genügt es, wenn für den Willen des Vermieters in den eigenen Räumen zu wohnen oder eine begünstigte Person dort wohnen zu lassen, ein vernünftiger nachvollziehbarer Grund besteht.
Kann ich auch kündigen, wenn ich die Wohnung teilweise oder ganz für meine gewerbliche Tätigkeit benötige?
Eine Kündigung kommt dann in Betracht, wenn ein berechtigtes Interesse des Vermieters an der Beendigung des Mietverhältnisses besteht ( § 573 Abs. 1 S. 1 BGB).
Für die Bestimmung des berechtigten Interesses ist zu beachten, dass sowohl die Rechtsposition des Vermieters, als auch das vom Vermieter abgeleitete Besitzrecht des Mieters von der verfassungsrechtlichen Eigentumsgarantie geschützt sind. Allgemeinverbindliche Betrachtungen verbieten sich dabei.
Nach der Rechtsprechung des BGH können aber die folgenden groben Leitlinien zu Grunde gelegt werden:
So weist der Entschuluss des Vermieters, die Mietwohnung nicht nur zu Wohnzwecken zu beziehen, sondern dort zugleich überwiegend einer geschäftlichen Tätigkeit nachzugehen (sog. Mischnutzung), eine größere Nähe zum Eigenbedarf nach § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB auf, da er in solchen Fallgestaltungen auch in der Wohnung einen persönlichen Lebensmittelpunkt begründen will. In diesen Fällen wird es regelmäßig ausreichen, dass dem Vermieter bei verwehrtem Bezug ein beachtenswerter Nachteil entstünde -was bei einer auf nachvollziehbaren und vernünftigen Erwägungen der Lebens- und Berufsplanung des Vermieters basierenden Kündigung häufig der Fall sein dürfte. Entsprechendes gilt, wenn die Mischnutzung durch den Ehegatten oder Lebenspartner des Vermieters erfolgen soll (BGH, Urteil vom 29.03.2017, VIII ZR 45/16).
Dagegen weisen Fälle, in denen der Vermieter oder sein Ehegatte/Lebenspartner die Wohnung ausschließlich zu geschäftlichen Zwecken nutzen möchte, eine größere Nähe zur Verwertungskündigung nach § 573 Abs. 2 Nr. 3 BGB auf. Angesichts des Umstands, dass der Mieter allein aus geschäftlich motivierten Gründen aus seinem räumlichen Lebensmittelpunkt verdrängt werden soll, muss der Fortbestand des Wohnraummietverhältnisses für den Vermieter einen Nachteil von einigem Gewicht darstellen, was etwa dann anzunehmen sein kann, wenn die geschäftliche Tätigkeit andernfalls nicht rentabel durchgeführt werden könnte oder die konkrete Lebensgestaltung die Nutzung der Mietwohnung erfordert -z. B. gesundheitliche Einschränkungen, Betreuung von Kindern oder pflegebedürftigen Personen- (BGH, Urteil vom 29.03.2017, VIII ZR 45/16; vgl. auch BGH, Urteil vom 26.09.2012, VIII ZR 330/11).
Für wen kann wegen Eigenbedarfs gekündigt werden?
Der Eigenbedarf kann für den Vermieter oder einen Familienangehörigen geltend gemacht werden. Dabei müssen die Familienangehörigen, für die Eigenbedarf geltend gemacht wird, nicht im Haushalt des Vermieters leben. Allgemein werden insoweit als Familienmitglieder der Ehegatte, die Eltern, die Kinder, die Stiefkinder, der Bruder, die Schwester sowie Nichten und Neffen verstanden. Bei entfernteren Verwandten wie Cousin und Cousine sowie Schwager und Schwägerin ist zudem erforderlich, dass ein besonders enger Kontakt zum Vermieter besteht (vgl. BGH, Urteil vom 12.11.2010, VIII ZR 4/10).
Zudem kann die Kündigung auch für einen Angehörigen des Haushalts des Vermieters ausgesprochen werden.
Kann die Wohnung auch von einer BGB-Gesellschaft für einen Gesellschafter oder für ein Familienmitglied eines Gesellschafters gekündigt werden?
Der -seinem Wortlaut nach auf persönliche Personen zugeschnittene- § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB ist in den Fällen entsprechend anwendbar, in denen als Vermieterin eine teilrechtsfähige (Außen-) Gesellschaft des bürgerlichen Rechts auftritt (vgl. BGH, Urteil vom 14.12.2016, VIII ZR 232/15; BGH, Urteil vom 15.03.2017, VIII ZR 92/16).
Was ist, wenn eine Alternativwohnung zur Verfügung steht?
Soweit eine freistehende, sich in unmittelbarer Nähe zu der zu kündigenden Wohnung befindende Alternativwohnung den Wohnbedarf des Vermieters deckt, kann er auf diese Wohnung verwiesen werden.
Deckt eine solche Wohnung den Wohnbedarf des Vermieters nicht, so hat er diese dem Mieter zur Anmietung anzubieten. Dabei hat er den Mieter über die wesentlichen Bedingungen einer Anmietung zu informieren (Lage, Größe, Ausstattung, Miete etc.). Diese Anbietpflicht besteht auch noch für Alternativwohnungen, welche während der Kündigungsfrist frei werden.
Die Anbietpflicht des Vermieters endet jedenfalls mit Ablauf der Kündigungsfrist und der damit eintretenden Beendigung des Mietverhältnisses. Der Vermieter ist damit aufgrund des Gebots der Rücksichtnahme nicht gehalten, die eigene, bisher von ihm selbst bewohnte Wohnung anzubieten. Denn diese wird erst frei, wenn der Vermieter nach dem Auszug des Mieters in die gekündigte Wohnung eingezogen ist. Der Vermieter muss sich nicht auf einen "fliegenden Wechsel" mit dem Mieter einlassen (BGH, Urteil vom 19.07.2017, VIII ZR 294/16).
Bisher wurde davon ausgegangen, dass die Verletzung der Anbietpflicht zur Unwirksamkeit der Kündigung wegen Eigenbedarfs führt. Nunmehr hat der BGH in seiner Entscheidung vom 14.12.2016 entschieden, dass die Verletzung der Anbietpflicht keine Auswirkungen mehr auf die Wirksamkeit der Eigebnbedarfskündigung hat. Die Verletzung der Anbietpflicht stellt vielmehr eine Pflichtverletzung des Vermieters dar und kann diesen schadensersatzpflichtig machen (vgl. BGH, Urteil vom 14.12.2016, VIII ZR 223/15).
Was ist, wenn sich der geltend gemachte Eigenbedarf erledigt?
Fällt der Eigenbedarf nach Ausspruch der Kündigung aber vor Ablauf der Kündigungsfrist weg, so ist der Mieter hierüber zu unterrichten und ihm die Wohnung nochmals anzubieten.
Fällt der Eigenbedarf allerdings erst nach Ablauf der Kündigungsfrist weg, so besteht keine Anbietpflicht des Vermieters mehr, da eine nachvertragliche Treuepflicht nicht besteht (vgl. BGH, Urteil vom 9.11.2005, VIII ZR 339/04).
Kann ein unbefristeter Mietvertrag auch kurz nach Abschluss des Vertrages wegen Eigenbedarfs gekündigt werden?
Eine Kündigung von Wohnraum wegen Eigenbedarfs ist nicht rechtsmissbräuchlich, wenn der Eigenbedarf zwar kurze Zeit nach Abschluss des Mietvertrages entstanden ist, bei Abschluss des Mietvertrages aber noch nicht absehbar war (vgl. BGH, Urteil vom 19.01.2015, VIII ZR 154/14) .
Welche inhaltlichen Anforderungen sind an eine Eigenbedarfskündigung zu stellen?
Die Anforderungen, die gemäß § 573 Abs. 3 BGB an die Angabe der Gründe für das berechtigte Interesse des Vermieters an die Beendigung des Mietverhältnisses zu stellen sind, dürfen nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht überspannt werden.
Der Zweck des Begründungserfordernisses in § 573 Abs. 3 BGB besteht darin, dem Mieter zum frühest möglichen Zeitpunkt Klarheit über seine Rechtsposition zu verschaffen und ihn dadurch in die Lage zu versetzen, rechtzeitig alles erforderliche zur Wahrung seiner Interessen zu veranlassen. Diesem Zweck wird im Allgemeinen Genüge getan, wenn das Kündigungsschreiben den Kündigungsgrund so bezeichnet, dass er identifiziert und von anderen Gründen unterschieden werden kann. Bei einer Kündigung wegen Eigenbedarfs ist daher nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs grds. die Angabe der Person, für die die Wohnung benötigt wird, und die Darlegung des Interesses, das diese Person an der Erlangung der Wohnung hat, ausreichend.
Hierbei ist jedoch zu beachten, dass die Amts- und Landgerichte z. T. höhere Anforderungen an die Begründung der Kündigung stellen bzw. es sich um Einzelfallentscheidungen handelt.
Es empfiehlt sich daher, trotz der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs weiterhin,
die Gründe im Einzelnen darzulegen und zu erläutern.
Kann ich auch wegen Eigenbedarfs kündigen, wenn ich die Wohnung zu diesem Zweck angekauft habe?
Grundsätzlich ist dies möglich. Jedoch ist hierbei § 577aAbs. 1 BGB zu beachten. Danach kann sich ein Erwerber auf berechtigte Interessen im Sinne des § 573 Abs. 2 Nr. 2 oder 3 erst nach Ablauf von drei Jahren seit der Veräußerung berufen. wenn an vermieteten Wohnräumen nach der Überlassung an den Mieter Wohnungseigentum begründet und das Wohnungseigentum veräußert worden ist. Eine weitere Einschränkung sieht § 577a Abs. 1a BGB vor.
Zu beachten ist auch Abs. 2 dieser Vorschrift. Danach beträgt die Frist bis zu zehn Jahre, wenn die ausreichende Versorgung der Bevölkerung mit Mietwohnungen zu angemessenen Bedingungen in einer Gemeinde oder einem Teil einer Gemeinde besonders gefährdet ist und diese Gebiete nach Satz 2 bestimmt sind. Die Landesregierungen werden ermächtigt, diese Gebiete und die Frist nach Satz 1 durch Rechtsverordnung für die Dauer von jeweils höchstens zehn Jahren zu bestimmen.
Die betroffenen Gemeinden in Nordrhein-Westfalen sowie die diesbezüglichen Fristen finden Sie hier:
Kündigungssperrfristenverordnung NRW
Schließt eine kurze Zwischennutzung durch Angehörige einen vorgetäuschten Eigenbedarf aus?
Dies ist eine Frage des Einzelfalles.
Hat der Vermieter z. B. durchgehend vorgehabt, das Objekt zu veräußern und nur vorübergehend einen Neffen mit der nicht offenbarten Erwartung als Mieter in das Objekt gesetzt, dass dieser im Falle des Verkaufs ohne Schwierigkeiten zum Auszug bewegt werden kann, so kann es sich um einen vorgetäuschten Eigenbedarf handeln (BGH, Urteil vom 10.05.2016, VIII ZR 214/15).
Rechtsfolgen vorgetäuschten Eigenbedarfs?
Der Vermieter ist im Falle vorgetäuschten Eigenbedarfs -wie auch sonst bei einer schuldhaften (materiell) unberechtigten Kündigung eines Dauerschuldverhältnisses - dem Mieter gemäß § 280 Abs. 1 BGB zum Schadensersatz verpflichtet (vgl. z. B. BGH, Uerteil vom 10.06.2015, VIII ZR 99/14).
Haftet der Vermieter dem Mieter im Falle vorgetäuschten Eigenbedarfs auch noch auf Schadensersatz, wenn sich der Mieter in einem gerichtlichen Vergleich zur Räumung verpflichtet hat?
Dies hängt davon ab, ob mit dem gerichtlichen Vergleich auch der Streit darüber beigelegt werden sollte, ob die Eigenbedarfslage des Vermieters bestand oder vorgetäuscht war. Nur, wenn mit dem Vergleich auch etwaige Ansprüche des Mieters wegen vorgetäuschten Eigenbedarfs abgegolten sein sollten, fehlt der erforderliche Zurechnungszusammenhang. An den Willen des Mieters auf entsprechende Ansprüche zu verzichten sind hohe Anfoderungen zu stellen. Der Verzichtswille muss unmissverständlich sein. Bei einem stillschweigenden Verzicht bedarf es bedeutsamer Umstände. Solche können z. B. in einer namhaften Abstandszahlung des Vermieters liegen (BGH, Urteil vom 10.06.2015, VIII ZR 99/14).
Kann der Mieter sich trotz Vorliegens von Eigenbedarfsgründen gegen eine Kündigung wehren?
Der Mieter kann der Kündigung des Vermieters gemäß § 574 BGB widersprechen und von ihm die Fortsetzung des Mietverhältnisses verlangen, wenn die Beendigung des Mietverhältnisses für den Mieter, seine Familie oder einen anderen Angehörigen seines Haushalts eine Härte bedeuten würde, die auch unter Würdigung der berechtigten Interessen des Vermieters nicht zu rechtfertigen ist. Dies gilt nicht, wenn ein Grund vorliegt, der den Vermieter zur außerordentlichen fristlosen Kündigung berechtigt.
Beratung empfohlen!
Vor Ausspruch der Kündigung empfiehlt es sich, anwaltliche Hilfe in Anspruch zu nehmen. Es besteht sonst die Gefahr, dass die ausgesprochene Kündigung wegen formeller Fehler unwirksam ist. Wird diese Unwirksamkeit dann erst nach Ablauf der Kündigungsfrist, je nach Einzelfall 9 Monate, festgestellt, muss die Kündigung neu ausgesprochen werden, wobei auch die Kündigungsfristen neu zu laufen beginnen. Dies führt zu unnötigen Verzögerungen.
Wir bieten insoweit verschiedene Arten der Bearbeitung und Beratung an. Diese finden Sie hier
Übernimmt meine Rechtsschutzversicherung die Kosten einer Eigenbedarfskündigung?
Da zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Eigenbedarfskündigung noch kein sog. Rechtsschutzfall vorliegt, wird für die Kündigung selbst leider keine Kostendeckungszusage erteilt werden.
Erst dann, wenn über die Wirksamkeit einer bereits ausgesprochenen Eigenbedarfskündigung Streit zwischen Vermieter und Mieter besteht, tritt bei bestehender Rechtsschutzversicherung der Rechtsschutzfall ein. Erst ab diesem Zeitpunkt ist die Sache versichert.
Wir benötigen Ihre Zustimmung zum Laden der Übersetzungen
Wir nutzen einen Drittanbieter-Service, um den Inhalt der Website zu übersetzen, der möglicherweise Daten über Ihre Aktivitäten sammelt. Bitte überprüfen Sie die Details in der Datenschutzerklärung und akzeptieren Sie den Dienst, um die Übersetzungen zu sehen.